Sonntag, 9. Juni 2019

Faszinierendes Tjeldøya

Ist das ein Tag heute! Ich habe fast bis 10 Uhr tief und fest geschlafen, nun strahlt die Sonne vom stahlblauen Himmel! Es ist Pfiongstsonntag, da sollte man doch nichts arbeiten, oder? Aber gerne mach ich das heute. Setze mich auf das letzte Stück übriggebliebener Terrasse und lasse mir die wärmende Sonne auf den Pelz brennen. Als sie hinterm Hauseck verschwindet, wandere ich einfach mit dem Campingstuhl Richtung  Badestamp. Nix tun! Ohne schlechtes Gewissen! Ab und zu mal einen Passanten grüßen. Lange mit einem guten Freund telefonieren und spannende, bewegende Gespräche führen. Lust auf was zu essen? Oh, Pfannkuchen sind eine gute Idee. Gefüllt mit Gemüsemix - lecker!
Es ist immer noch so ein tolles Wetter - richtiges Urlaubswetter. Da sollte ich doch vielleicht mal etwas die Gegend erkunden? Ich könnte doch mal Tjeldøya "richtig" angucken. Bislang war ich ja nur bis kurz hinter der Ramsundbrücke. Die Karte zeigt eine Straße, die einmal fast ganz außen herum führt. Ist allerdings dann Sackgasse. 67 km sagt Tante Google, klingt nach einem netten Toürchen. Gesagt, getan. Obwohl es so warm ist, ziehe ich die lange Unterhose an, packe allerdings die Regenhose nicht ein. Heut ist es so toll - da braucht man das nicht!
Ich beginne die Tour über den Schotterweg hinter Tårstad und vermeide damit die Hauptstraße. Ein Genuß! Die weißen Strände, Sandbänke und Inselchen lachen mich immer wieder an.
Als ich auf der Insel den Nordzipfel umrundet habe, ändert sich die Landschaft. Die Berge, die nach Osten steil abfallen und von denen sich unendlich lange Wasserfälle herabstürzen, zeigen sich auf dieser Seite sehr viel flacher und dicht bewaldet. Nach unten zum Meer hin laufen sie langsam aus und gehen in fette saftig-grüne Wiesen über, die mit Löwenzahn, Butterblumen und Schafgarben übersät sind. Ein paar Pferdchen und einige Schafe tummeln sich hier, viele Höfe füllen verstreut die Landschaft.
Ich habe mir vorgenommen, bis zum bitteren Ende der Straße zu fahren! Egal, was kommt. Und - es lohnt sich! Plötzlich ändert sich die Landschaft wieder. Die verbuschen Birken und vereinzelten krüppeligen Zwergenkiefern lichten sich und machen tundraähnlichen Wiesen Platz. Dazwischen lugen runde Felskuppen heraus. Der Anblick lockt mich so, dass ich unbedingt ein Stück hineinlaufe. Viel zu spät bemerke ich, wie moorig der Untergrund ist. Ich sinke ziemlich tief ein und quetsche das moorige Wasser aus dem Boden - schnell zurück zur festen Straße!
Die Landschaft ist so faszinierend, dass ich für die gesamte Strecke von knapp 70 km über 3 Stunden brauche. Alle Nase lang muss ich stehen bleiben um Fotos zu machen oder einfach das Szenario auf mich wirken zu lassen. Fröhlich über Steine springende Bäche treffen sich in türkisblauen Buchten mit dem Meer. Große Seen speisen sich unterirdisch mit Seewasser. Vor der Küste setzen sich die felsigen Monolithen als Schären fort. Immer mal wieder rauschen unterschiedlich große Boote vorbei. Tatsächlich gibt es sogar hier in dieser Abgeschiedenheit einen großen Campingplatz, Ferienhütte und diverse schön eingerichtete Rast- oder Grillplätzchen.


Ich dachte, hier wäre nun das Ende der Straße? Aber da geht eine Brücke über eine Meerenge. Das ist ja toll! Ein wirklich kleiner Fjord ragt hier ins Landesinnere und wird von einem Halbrund an hohen Bergen abgeschlossen. Unter der Brücke strömt das Wasser mit hoher Geschwindigkeit, großer Kraft und vielen Wirbeln Richtung Fjordboden. Ich vermute, dass hier ein großer Gezeitenhub herrscht. Irgendwann ist die Asphaltstraße aber dann doch wirklich zu Ende, auf der Wendeplatte steht ein großes Wohnmobil. Dahinter beginnt ein unbefestigter, breiter und steiniger Weg, den man "auf eigene Gefahr" befahren kann. Wie gemacht für Hägar. Immerhin zieht er sich nochmal 6 km durch Moor, Felsen und Buchten, bis zum bitteren Ende. Hier verfällt ein ehemaliger Kai, an dem ich ein wenig meinen Köder bade. In der Ferne zieht ein Schiff vorbei, nicht nach Fischen aussieht. Ein Passagierschiff? Vielleicht die Hurtigroute? Ich kann es nicht erkennen, nur bewundern.
Langsam zieht es zu, ein leichter Wind kommt auf und es kühlt ab. Ist ja schon 5 Uhr! Also, ab nach Hause. Ich lasse Hägar freien Lauf und er darf über alle Bodenwellen und Schlaglöcher hüpfen. Die Wolken finde ich bedrohlich...

Ganz bis zur Tanke schafft Hägar es dann doch nicht, mit dieser Tankfüllung ist er schließlich schon seit Harstad unterwegs - ca. 7 km vor der Tankstelle muss ich ihn füttern. Die Zwangspause an der Tanke nutze ich natürlich noch für einen feinen günstigen Kakao, allerdings hindert das Petrus nicht, die Wolken herbeizuziehen. So schaffe ich es, obwohl der Rückweg nur 2 h gedauert hat, leider nicht ganz, trocken heim zu kommen. Die letzen 8 km nieselt und regnet es also - eben das übliche norwegische Wetter...weiß man doch, wieso nehm ich dann keine Regenklamotten mit? Ich sollte öfters auf mich hören!
Es ist nun schon 8 Uhr abends. Der Badestamp hat zwar noch 31 Grad, aber zum richtig warm werden, würde es nochmal ne Stunde dauern. Also bleibt die (Kannibalen)küche heute kalt.
Trotzdem - was für ein herrlicher Feiertag!


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